Wissenschaft und Forschung

Nebra / Bornhöck

Eine verschlüsselte Botschaft aus der Frühbronzezeit? Lag im Großgrabhügel Bornhöck der Herr der Himmelsscheibe von Nebra?

65 Meter hoch war der Großgrabhügel von Bornhöck einst. Wohl mit Kalk weiß verputzt und bunt bemalt ragte er ursprünglich als mächtiges Herrschaftssymbol weithin sichtbar in den Himmel. Neueste Erkenntnisse von Archäologen des Landesdenkmalamtes Sachsen-Anhalt lassen vermuten, dass hier eine Dynastie mächtiger Herrscher bestattet wurden, die Handels- und Wirtschaftskontakte ins südliche Mitteleuropa, in die Slowakei, Ungarn und Norditalien hatten. Auf gefundenen Tontäfelchen, "Brotlaib-Idolen", verbirgt sich möglicherweise ein bislang noch nicht entschlüsseltes Schrift- und Kommunikationssystem. Die Forschungsergebnisse erhärten außerdem die Ergebnisse die Vermutung, dass im »Bornhöck« einer der »Herren der Himmelsscheibe« bestattet war.
News-Schrift vor Weltkarte

Die jüngsten Ergebnisse der Forschungs- und Lehrgrabung am Großgrabhügel „Bornhöck", in der Gemeinde Raßnitz, Saalekreism lassen aufhorchen.

In der frühen Bronzezeit lässt sich in Mitteldeutschland erstmals eine hierarchische Gesellschaftsstruktur fassen, die ihren Ausdruck in »normierten« Grabausstattungen findet. An der Spitze stehen sog. Fürsten, die sich über mehrere Jahrhunderte hinweg (vom 20. bis 17. Jh. v. Chr.) in riesigen Grabhügeln bestatten lassen.

Der größte dieser Fürstengrabhügel ist der »Bornhöck«, Gemeinde Raßnitz, Saalekreis, der seit 2014 vom Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt im Rahmen von Lehrgrabungen in Zusammenarbeit mit der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg untersucht wird. Ziel der diesjährigen, insgesamt 6 Wochen dauernden Kampagne unter der Leitung von Torsten Schunke M. A. war es, die außergewöhnlich wichtigen Erkenntnisse der vergangenen Jahre zu überprüfen und weitere Hinweise zu Aufbau und Alter dieses Monumentes zu finden.

Insbesondere galt das Forschungsinteresse der wechselvollen Geschichte des Grabhügels seit seiner Entstehung vor nahezu 4.000 Jahren bis zu seiner Zerstörung in der zweiten Hälfte des 19. Jhs. Der imposante Tumulus mit einem Durchmesser von ca. 65 m und einer Höhe von ca. 15 m in der Bronzezeit wies eine hölzerne Grabkammer auf und wurde frühestens im 19. Jh. v. Chr. errichtet. Er ist damit eindeutig jünger als das Begräbnis in dem bekannten »Fürstengrab« von Leubingen, Lkr. Sömmerda (1942 v. Chr.).

Er könnte etwa zeitgleich oder etwas jünger sein als das ebenso bedeutende Fürstengrab von Helmsdorf, Lkr. Mansfeld-Südharz (1840 v. Chr.). Obwohl die zentrale Grabkammer des »Bornhöck« bereits vor langer Zeit beraubt worden ist und daher erwartungsgemäß keine Goldfunde mehr zu Tage kamen, erhärten die Ergebnisse die Vermutung, dass im »Bornhöck« einer der »Herren der Himmelsscheibe« bestattet war.

So wurde zum einen etwa zur selben Zeit, als der Grabhügel vor 150 Jahren abgetragen wurde, in der Nähe ein angeblicher Hortfund mit zahlreichen Goldobjekten gefunden, die in Wirklichkeit wohl aus dem Grabhügel stammen und ursprünglich zur Grabausstattung des Fürsten gehört haben dürften. Metallurgische Untersuchungen dieses Goldfundes bestätigen Übereinstimmungen mit diversen Goldobjekten aus den Fürstengräbern von Leubingen und Helmsdorf, bislang jedoch nicht mit den Auflagen auf der Himmelsscheibe von Nebra.

Gleichwohl ergibt sich aus dem schichtweisen Aufbau des »Bornhöcks«, dass hier möglicherweise mehrere Fürsten in einer Art dynastischer Folge bestattet worden waren. Dagegen lag in den älteren Hügeln von Leubingen und Helmsdorf jeweils nur eine Person. Danach scheint sich der »Bornhöck« als zentraler Bestattungsort einer Dynastie von Fürsten fest etabliert zu haben. Der herausragende Fund dieses Jahres wirkt auf den ersten Blick unscheinbar, ist aber ein weiteres Indiz für eine solche Interpretation, belegt er doch jenseits der herausragenden Gold- und Bronzefunde die enge Einbindung der Dieskauer Fürsten in ein überregionales Kommunikations- und Handelssystem.

Es handelt sich um ein wegen seiner Form sog. Brotlaibidol, von denen bislang aus dem südlichen Sachsen-Anhalt und Thüringen nur drei mögliche, schlecht erhaltene Vergleichsstücke bekannt sind. Auf der Oberseite dieses länglichen Tonobjektes sind Querstriche und kleine eingestempelte Kreise zu erkennen. Im 19. – 16. Jh. v. Chr., der Zeit der frühbronzezeitlichen Fürstengräber und der Himmelsscheibe von Nebra, tauchen im südlichen Mitteleuropa, v. a. in der Slowakei, Ungarn und Norditalien, sehr ähnliche viereckige bis ovale Tontäfelchen auf, die immer wiederkehrende »Verzierungen« aus Linien und Stempeleindrücken tragen. I

Ihre wirkliche Funktion wird erst seit wenigen Jahren deutlich. Offensichtlich spielten diese Objekte im Fernhandel, möglicherweise von Metallen, eine Rolle. Waren sie eine Art Frachtschein oder etwa Siegel- stempel als Echtheitszertifikat? Sind auf ihnen vielleicht sogar Zahlen oder andere Informationen verschlüsselt, wie wir es aus derselben Zeit von den noch komplexeren Tontäfelchen der ersten europäischen Hochkultur, der minoischen Kultur auf Kreta (»Linear A«-Schrift), kennen? Dort sind sie Zeichen eines hoch differenzierten Wirtschaftssystems und gleichbedeutend mit der Einführung der Bürokratie.

Der Fund zeigt, dass der im »Bornhöck« Bestattete mit den Eliten der Kulturen im südlichen Mitteleuropa in engem Kontakt stand. Waren und Informationen wurden über viele hundert Kilometer getauscht, ein einheitliches Zeichensystem wurde verstanden. Im Gegensatz zu den südlichen Regionen war ein solcher Kontakt allerdings nur wenigen Personen und ihrem Umfeld vorbehalten, wie die geringe Zahl an »Brotlaibidolen« nahelegt. Der Herrscher aus dem »Bornhöck« gehörte zu ihnen. Die Untersuchungen werden voraussichtlich im nächsten Jahr fortgeführt.

Aber auch schon im Jahr 2015 hatten die Forscher wichtige Erkenntnisse bei ihren Ausgrabungen gewonnen: Nämlich zur Frage nach der Entstehung von Arm und Reich in menschlichen Gesellschaften. Dazu gibt es in der archäologischen Forschung Deutschlands zwei Fixpunkte: dies sind die bereits im 19. Jahrhundert bzw. 1907 ergrabenen frühbronzezeitlichen »Fürstengräber« von Leubingen (heute Lkr. Sömmerda /Thüringen) und Helmsdorf (Lkr. Mansfeld-Südharz).

Beide Fürstengräber konnten mittels der Dendrochronologie (Baumringe) ungewöhnlich exakt datiert werden (Leubingen 1942 v. Chr.; Helmsdorf 184o v. Chr.). Unter dem in der Archäologie forschungsgeschichtlich entstandenen Begriff »frühbronzezeitliches Fürstengrab« wird ein konkreter Grabtypus verstanden: gegenüber den »normalen« Bestattungen dieser Zeit in Flachgräbern, werden die »Fürsten« in einer aus massiven Holzbalken errichteten zeltdachförmigen Grabkammer unter einem großen Hügel beigesetzt.

Zu den Beigaben gehörte stets ein umfangreiches aber weitgehend identisches Goldornat bestehend aus Nadeln, Armringen und Goldspiralen sowie aus bronzenen und steinernen Waffen und Geräten (Beile, Dolche, Meißel, Äxte).

Aus diesem Gesamtbild wird zweifellos deutlich, dass diese sich am Beginn der Bronzezeit erstmals abzeichnenden Fürsten weitreichende zentrale Machtbefugnisse besaßen und an der Spitze einer hierarchisch gegliederten Gesellschaft standen. Seit Langem stellten sich zwei zentrale Fragen: Zum einen die nach den übrigen anzunehmenden Grabhügeln, da für zumindest jede Generation während der Frühbronzezeit ein vergleichbarer Grabhügel existiert haben muss.

Zum anderen ob es sich um jeweils einen zentralen Fürsten der mitteldeutschen Region handelt oder ob oberhalb dieser nochmals eine Herrschaftsebene vorhanden war. Dafür spricht ein bereits im 19. Jahrhundert entdeckter frühbronzezeitlicher Goldschatz in der Region von Dieskau, der durch die Mitgabe von goldenen Waffen die Grabausstattungen von Leubingen und Helmsdorf bei Weitem übertrifft.

Weitere Anzeichen dafür könnten sich hinter weiteren im 18. und 19. Jahrhundert ursprünglich noch existierenden Riesenhügeln, die in der Regel zur Verbesserung der Äcker und Vergrößerung der Ackerflächen abgetragen wurden, verbergen. Handelte es sich hier um Riesengrabhügel vorgeschichtlicher Fürsten oder um andere Phänomene? Gab es in der Dieskauer Region zur Zeit der Himmelsscheibe von Nebra einen Fürsten, der alle anderen überstrahlte? Liegt hier zur Zeit der Himmelsscheibe womöglich der bislang unbemerkte frühbronzezeitliche Herrschaftssitz?

Auf der Suche nach diesen Fragen, die eng mit dem Verständnis der Himmelsscheibe von Nebra zusammenhängen, analysierten Archäologen des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie in Halle die Spuren mehrerer verschwundener Riesenhügel mit modernen Methoden. Sie stießen dabei auf den »Bornhöck«, den sie als möglichen frühbronzezeitlichen Großgrabhügel identifizierten. In mittlerweile zwei Kampagnen im Juli 2o14 und von Mai bis August 2o15 wurden die Reste des Hügels zeitweise im Rahmen einer Lehrgrabung mit Studierenden der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg archäologisch untersucht.

Mit seiner enormen Größe von mehr als 2o m Höhe und 65 m Durchmesser war er einst eine weithin sichtbare Landmarke, die die Grenze zwischen Preußen und Sachsen markierte. Im 19. Jh. wurde er wegen Planungen zum Braunkohlenabbau und zur Bodenverbesserung im Umfeld abgetragen und in diesem Zuge beraubt. Der Verbleib der dabei sehr wahrscheinlich zutage getretenen Fundobjekte ist unklar.

Durch die Untersuchungen konnten aber zahlreiche wichtige Erkenntnisse zur Architektur des Hügels selbst gewonnen werden: die dachförmige Grabkammer im Zentrum war – wie in Leubingen – aus doppelt gestellten, massiven, Eichenbohlen errichtet, die mit tonnenschweren Steinblöcken abgedeckt worden waren; sicherlich um die Grabkammer so langfristig vor Raubgräbern zu schützen. Dafür wurde auch gebrochener Sandstein und Porphyr verwendet, der aus mehreren Kilometern Entfernung aus dem Stadtgebiet von Halle antransportiert worden ist.

Über dem Steinkern von 18 m Durchmesser wurden tausende Kubikmeter Erde angehäuft – keine gewöhnliche Erde, sondern der Boden einer älteren frühbronzezeitlichen Siedlung, durchsetzt mit vielen tausend Knochen und Scherben. Selbst detaillierte Aussagen über den Bauablauf konnten gewonnen werden: So wurden unter anderem die Zurichtungsplätze der Holzbalken, die Steinschlagplätze, die Trampelhorizonte der Bauarbeiter sowie die Fahrspuren der für den Transport des Baumaterials genutzten Wagen entdeckt.

Eine sorgfältige Analyse der verbliebenen Hügelschüttung bestätigte die Vermutung eines frühbronzezeitlichen Fürstenhügels. Die Radiokarbondatierung ergab, dass dieses Grabmonument in der ersten Hälfte des 19. Jh. v. Chr. oder etwas später errichtet worden ist. Trotz der neuzeitlichen Beraubung geben die Grabungsbefunde schon jetzt einen einmaligen Einblick in die Architektur frühbronzezeitlicher Herrschergräber und damit auch in die Sozialstrukturen dieser Zeit. Erstmals kann Aufbau und Gestaltung eines solchen Fürstengrabhügels nun detailliert nachvollzogen werden. (Landesamt für Denkmalpflege Sachsen-Anhalt / KM)

(Montag, 17.07.17 - 18:40 Uhr   -   4885 mal angesehen)

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